Gasnitrieren
Nitrierprozesse laufen großtechnisch typischerweise im Temperaturbereich von 500 – 530°C ab. Für den Prozess wird chemisch aktiver, also atomarer, Stickstoff benötigt. Zwei Verfahren haben sich hier verfahrenstechnisch durchgesetzt, nämlich das Gasnitrieren und das Plasmanitrieren. Der entscheidende Unterschied ist die Erzeugung des atomaren Stickstoffs. Beim Gasnitrieren dient Ammoniak (NH3) als Stickstoffspender. Während des Prozesses spaltet sich Ammoniak in seine Grundbestandteile Stickstoff (N) und Wasserstoff (H). Der dabei entstehende atomare Stickstoff hat eine hohe Affinität zum Eisen und bildet Eisennitrid. Aufgrund des Konzentrationsgefälles diffundiert er in die oberflächennahen Bereiche des Bauteils ein und bildet in der Folge die sogenannte Diffusionszone oder auch Nitrierschicht (Nht) genannt.
Beim Plasmanitrieren wird hingegen mit den Gasen Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) gearbeitet. Diese Gase werden im Millibar-Bereich in eine Vakuumretorte eingespeist. Die Wand der Retorte wird als Anode und die Bauteile als Kathode geschaltet. Durch Anlegen einer Spannung werden die Gase ionisiert. Die positiv geladenen Atome der Gasmoleküle werden in Richtung der negativ geladenen Bauteile beschleunigt. Durch die hierbei entstehende hohe kinetische Energie werden die Moleküle beim Aufprall auf die Bauteiloberfläche gespalten und atomarer Stickstoff steht zur Verfügung. Gleichzeitig werden auch Eisenatome aus den Bauteilen gesputtert und im Bereich des sogenannten Glimmsaums aufgestickt. Aufgrund der positiven Ladung werden sie wieder zum Bauteil gesogen. Der Nitrierprozess läuft dann in ähnlicher Form wie oben beschrieben.
Die Diffusionszone (Nitrierschicht) besteht aus zwei Schichten. An der Oberfläche bildet sich zunächst eine Eisennitridschicht, die sogenannte Verbindungsschicht (VS). Man unterscheidet 2 Modifikationen. Beim gesteuerten Gasnitrieren und Plasmanitrieren wird die stickstoffärmere, aber relativ duktile Fe4N, auch als γ‘-Nitrid bezeichnet, gebildet. Sie hat Keramikcharakter, ist verschleißmindernd und hat mäßige Korrosionsschutzeigenschaften. Die stickstoffreichere, härtere und besser korrosionsbeständige Fe₂₋₃N-VS, auch als ε Nitrid bezeichnet, wird beim Nitrocarburieren erzeugt.
Verbindungsschichten werden in einem metallographisch präparierten Querschliff kaum angeätzt und sind somit als weiße Schicht sichtbar. Daher die im englischen Sprachraum verwendete Bezeichnung „white layer“ für diese Schichten, die normkonform als compound layer bezeichnet werden.
Unterhalb der VS bildet der Stickstoff mit den nitridbildenden Elementen (die wichtigsten sind Al, Cr, Mo und V) Sondernitride. Darüber hinaus lagert sich N in den Zwischengitterlücken ein. Dieser Bereich der Diffusionszone wird auch Ausscheidungsschicht genannt.
Diese Kombination aus Nitridausscheidungen und gleichzeitiger Verzerrung der Atomgitter führt zu erheblichen Druckeigenspannungen und damit zur Härtesteigerung in der Nitrierschicht. Diffusionsbedingt nimmt der Stickstoffgehalt mit zunehmender Eindringtiefe ab und damit gehen auch die Druckeigenspannungen zurück. Daraus resultiert der typische Härteverlauf einer Nitrierschicht mit hoher Oberflächenhärte und stetig abfallenden Härten in den tieferen Regionen.
Das Gasnitrieren kann grundsätzlich für alle unlegierten und niedriglegierten Stähle mit Cr-Gehalten bis 12% Gusseisen angewandt werden. Bei unlegierten Stählen, lamellaren und ferritischen Gusseisen sollte bevorzugt das Nit