Geführte akustische Wellen in Sensorik und Aktorik
Das ISAT forscht seit seiner Gründung auf dem Gebiet der nicht-invasiven Ultraschallsensorik mit dem Schwerpunkt „geführte akustische Wellen“. Geführte akustische Wellen sind Schallwellen, die durch den Festkörper, in dem sie sich ausbreiten, geführt werden. Die am häufigsten verwendeten Typen sind Rayleigh- und Lamb-Wellen. Das ISAT beschäftigt sich zudem mit anderen Wellenarten, wie Scholte- oder Love-Wellen.
Lamb-Wellen sind Plattenschwingungen und treten auf, wenn die Wellenlänge der angeregten Schallwelle größer oder in der Größenordnung der Plattendicke ist. Folglich weisen sie Teilchenauslenkungen auf beiden Seiten eines Substrats auf, d.h. die Welle durchdringt das gesamte Material. Diese Eigenschaft von Lamb-Wellen ermöglicht ihre Anregung und Detektion auf der Rückseite eines Materials, während die eigentliche sensorische Interaktion auf der Vorderseite stattfinden kann.
Das ISAT nutzt Lamb-Wellen vor allem für die Entwicklung nicht-invasiver Sensoren und Aktoren, während Rayleigh-Wellen bevorzugt zur Materialcharakterisierung oder Risserkennung eingesetzt werden.
Für die Anregung und Detektion von geführten akustischen Wellen verwendet das ISAT vorrangig piezoelektrische Keramiken, die speziell für die zu lösende Aufgabe ausgelegt werden. Als Trägermaterialien für geführte akustische Wellen können verschiedenste Werkstoffe dienen, wie z. B. Glas, Metalle, Keramiken oder diverse Kunststoffe. Weiterhin ist es möglich, geführte akustische Wellen berührungslos über optische Methoden (Laseranregung) oder magnetostriktiv anzuregen und zu detektieren.
Sowohl bei Lamb-Wellen als auch Rayleigh-Wellen sind bei sensorischen Anwendungen die an der Materialoberfläche auftretenden Auslenkungen in der Regel so klein, dass sie weder spürbar sind noch eine Schädigung des Materials hervorrufen können.
Kurzinfo Rayleigh-Wellen
Wellenlänge< Substratdicke
Ausbreitung nur auf einer Seite der Substratoberfläche
Eindringtiefe ins Substrat max. 1 Wellenlänge
nicht-dispersiv (Ausbreitungsgeschwindigkeit konstant)
Rayleigh-Welle
Kurzinfo Lamb-Wellen
Wellenlänge > Substratdicke
Ausbreitung auf beiden Seiten des Substrates
unterschiedliche Schwingungsmoden
dispersives Verhalten (Änderung Ausbreitungsgeschwindkeit in Abhängigkeit von Frequenz)
Lamb-Wellen mit symmetrischer und antisymmetrischer Ausbreitungsmode
Wechselwirkungseigenschaften geführter Wellen mit Flüssigkeiten
1. Modenkonversion
Ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der geführten akustischen Wellen auf dem Substrat größer als die Schallgeschwindigkeit im umgebenden Medium (z.B. Flüssigkeit), so koppelt die geführte Welle als Kompressionswelle in das umgebende Medium aus. Dieser Effekt nennt sich Modenkonversion und kann als akustisches Analogon zur optischen Brechung verstanden werden. Ändern sich die Eigenschaften des umgebenden Mediums, so beeinflusst dies auch den Auskoppelwinkel und folglich die Länge des Schallwegs, was in einer messtechnisch präzise erfassbaren Änderung der Schalllaufzeit resultiert. Gleichzeitig erfährt der auf dem Substrat verbleibende und nicht auskoppelnde Wellenanteil eine Dämpfung, was als Amplitudenänderung ebenfalls detektiert werden kann.
Abstrahlung einer geführten Welle über Modenkonversion in die angrenzende Flüssigkeit.
Nutzung der Modenkonversion in der Sensorik