Achtsamkeit in der Personalberatung
Wir haben uns mit der Fragestellung befasst, wie wir als Personalberater mit Bewerbern und Kunden achtsam umgehen können und welche Vorteile sich daraus im Recruiting-Prozess ergeben.
Achtsamkeit oder englisch «Mindfulness» zählt zu den bedeutenden Soft-Trends, die seit geraumer Zeit in Unternehmen und Chefetagen Einzug halten. Der Erfolg dieser Methode verwundert nicht, zumal sich die Unternehmensleitungen davon klare betriebswirtschaftliche Effekte erhoffen wie zum Beispiel einen sinkenden Krankenstand, nachhaltige Entscheidungen, mehr Empathie in der Führung und damit verbunden ein gesteigertes Engagement der Belegschaft sowie letztendlich eine höhere Performance. Aber ist Mindfulness auch im Recruiting sinnvoll?
Was genau versteht man unter Mindfulness?
Mindfulness findet sich ursprünglich in Achtsamkeits-Konzepten der buddhistischen Lehre und ist im westlichen Kulturkreis als psychotherapeutische Methode beziehungsweise als Meditationspraxis bekannt geworden.
Im Kern der Mindfulness-Konzepte stehen die Selbstwahrnehmung des Menschen und die absichtslose Aufmerksamkeit gegenüber inneren Prozessen im Hier und Jetzt. Dabei wird die Aufmerksamkeit nicht eingeengt (Konzentration), sondern zu einem umfassenden, kristallklaren und hellwachen Offensein für alle Aspekte der Wirklichkeit geweitet. Durch Achtsamkeit, Präsenz und weites Denken kann der Übende zu sich selbst finden, das Wesentliche erkennen und des Reichtums der eigenen Möglichkeiten gewahr werden.
Dies erfordert das Einüben der Fähigkeit, sich bewusst zu werden, was in diesem gegenwärtigen Augenblick geschieht. Für die Praxis von Mindfulness gibt es unterschiedliche Ansätze wie beispielsweise Bodyscan, Sitzmeditation, Qigong oder Yoga. Ziel ist das Erlangen von Aufmerksamkeit in der Gegenwart und eben auch im Moment der Begegnung mit anderen – zum Beispiel im Interview mit Kandidatinnen und Kandidaten.
Mindfulness im Vorstellungsgespräch
Wer Mindfulness einübt, kann als Personalberater eine höhere emotionale Intelligenz und somit die Fähigkeit zu erfolgreicherer sozialer Interaktion entwickeln. Erfolg im Interview soll hier als eine echte zwischenmenschliche Begegnung mit geweiteter Aufmerksamkeit für alle Facetten im gegenwärtigen Augenblick verstanden sein.
Wenn wir Menschen auch im Interview achtsam begegnen wollen, müssen wir uns auf das Gegenüber einlassen und alle Aspekte des Kandidaten erfassen. Wir sollten kritisch hinterfragen, ob wir als Interviewer auch wirklich bereit sind, dem anderen mit Akzeptanz und Empathie zu begegnen. Dabei ist wichtig, dass wir keine künstliche Rolle spielen, sondern dem Gesprächspartner authentisch und mit absichtsloser Neugierde gegenübertreten.
Auch sollten wir für eine achtsame Kommunikation darüber nachdenken, ob es allenfalls einen anderen Rahmen braucht und wie wir uns unserem Gesprächspartner gegenübersetzen wollen. Ebenfalls ausschlaggebend ist, den anderen ankommen zu lassen und zu betonen, dass wir genügend Zeit haben, um uns intensiv auszutauschen. Am Ende des Dialogs ist festzuhalten, ob und wie wir weitermachen.
Wir sollten vermeiden, die immer gleichen Interviewfragen zu stellen, die uns wie auch die Kandidatinnen und Kandidaten von sich selbst wegbringen. Das Ergebnis ist oftmals ein einseitiges Befragen und das unbestimmte Gefühl, dass wir einstudierte Antworten oder aber sozial erwünschte Reaktionen erhalten. Gewissenhafte Interviewer müssen in solchen Fällen nachhaken, um die Antworten auf Plausibilität zu prüfen. Dies wiederum kann eine echte Begegnung und ein waches Offensein für ganzheitliche Aspekte sowie eine umfassende Beurteilung des Kandidaten in Bezug auf die offene Position gefährden, weil sich ein Klima der investigativen Befragung einstellt.
Betriebswirtschaftlicher Nutzen statt Esoterik