Was ist die Energiewende?

Deutschland will weg von der klaren Dominanz von Kohlenwasserstoff- und Kernenergiequellen und hin zu einer kohlenstoffarmen und nuklearfreien Wirtschaft, die auf der Nutzung erneuerbarer Energiequellen basiert. Dieses Vorhaben wird als Energiewende bezeichnet. Deren Ursprünge liegen in der Umwelt- und Anti-Atomkraftbewegung der 1970er Jahre.

Zum konkreten politischen Ziel wurde der perspektivische Ausstieg aus der Energiegewinnung mit Erdöl, Kohle, Erdgas und Atomkraft im Jahr 2000. Seinerzeit vereinbarte die Bundesregierung mit den deutschen Energieunternehmen erstmals einen Atomausstieg. 2023 sind schließlich die letzten Meiler hierzulande vom Netz gegangen. Zudem hat sich Deutschland gesetzlich selbst verpflichtet, die Kohleverstromung bis spätestens 2038 zu beenden. Dahinter steht auch der Plan, den Ausstoß des schädlichen Treibhausgases CO₂ zu verringern und die Bundesrepublik bis 2045 klimaneutral zu machen.
 

Wie weit ist die Energiewende?

Gelingen soll die Energiewende vor allem mit dem Ausbau erneuerbarer Energien (EE). Dazu treibt die Bundesregierung den Bau und den Einsatz von emissionsfreien Solar- und Windkraftanlagen voran – an Land (onshore) und vor der Küste (offshore). Bis 2030 sollen 80 Prozent des in Deutschland erzeugten Stromes aus erneuerbaren Quellen stammen.

Nach Angaben der Bundesnetzagentur lag 2023 die installierte Bruttoleistung von Solarenergie, Windenergie an Land und auf See sowie Biomasse bei rund 160 Gigawatt. Das entsprach 56 Prozent an der gesamten Stromerzeugung. Um hier die Ziele nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und nach dem Windenergie-auf-See-Gesetz zu erreichen, ist allerdings noch viel zu tun: 2030 soll die Solarenergie (PV) bis zu 215 Gigawatt Strom liefern und bis 2045 insgesamt 400 Gigawatt. Bei der Windenergie sind bis 2030 145 Gigawatt angepeilt und bis 2045 230 Gigawatt.

Und wie sieht es derzeit beim Treibhausgas aus? Laut Untersuchungen von Agora Energiewende – eine Denkfabrik und Lobby-Organisation im Energiesektor – entstanden 2023 in Deutschland 673 Millionen Tonnen CO₂. Gegenüber dem Wert des Referenzjahres 1990 ist das ein Minus von 46 Prozent. Wesentlich verantwortlich dafür sind aus Sicht von Agora Energiewende zwei Faktoren.

  • Die Stromerzeugung aus Kohle sank auf den tiefsten Stand seit den 1950er Jahren.            Dadurch konnten 44 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden.
  • Es kam zu einem krisen- und konjunkturbedingten Produktionsrückgang in                        energieintensiven deutschen Unternehmen.

Gerade der zweite Punkt zeigt, dass die CO₂-Verminderung zum Teil auf eine abgebremste wirtschaftliche Entwicklung zurückgeht. Verbessert sich das Geschäftsklima, dürfte sich dieser Effekt verringern. Und: Der Rückgang beim CO₂-Ausstoß von Gebäuden (Wärme und Kälte) und im Verkehr stagnierte 2023 nahezu.

Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland, fordert deshalb für die Industrie „adäquate Rahmenbedingungen, um in Deutschland investieren zu können – etwa in die klimaneutrale Stahlherstellung und den Umstieg von Gas auf Strom für Prozesswärme.“ Im Bereich Gebäude plädiert er für eine konsequente Umsetzung beschlossener Maßnahmen. Beim Verkehr verlangt er grundsätzliche politische Entscheidungen zugunsten von klimafreundlicher Mobilität.
 

Please accept marketing-cookies to watch this video.


Ausblick: Wie entwickelt sich der Strompreis?

Der Umstieg auf erneuerbare Energie kostet viel Geld. Eine Modellrechnung des ifo-Instituts kommt zu diesem Ergebnis: „Die kumulativen systemischen Mehrkosten für die Energiewende bis 2050 liegen je nach Randbedingungen zwischen 500 Milliarden Euro und mehr als 3.000 Milliarden Euro. Das entspricht pro Jahr im Durchschnitt 0,4 bis 2,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus dem Jahr 2018.“

Wie wirkt sich das auf den Industriestrompreis aus? Das ist für viele Unternehmen eine wichtige Frage. Fakt ist: Gegenüber 2021 hat sich 2022 der Industriestrompreis mehr als verdoppelt (102,1 Prozent). Das lag maßgeblich am Angriff Russlands auf die Ukraine, der große Unsicherheit auf dem internationalen Energiemarkt und damit eine erhebliche Verteuerung auslöste. Mittlerweile hat sich die Lage hinsichtlich der Energiebeschaffungskosten beruhigt.

Das ibis WorldMarktforschungsinstitut beobachtete die Situation der vergangenen Jahre am Standort Deutschland. Das Ergebnis: „Seit 2019 hat sich der Industriestrompreis durchschnittlich um 0,6 Prozent pro Jahr reduziert, sodass er sich 2024 auf 17,9 Eurocent pro kWh belaufen dürfte. Dies entspricht wiederum einer Reduzierung von 27 % gegenüber dem Vorjahrespreis.“

Und die weitere Entwicklung? Wird die Energiewende den Strompreis nach oben treiben? Dazu hat Mitte 2021 das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) eine Studie vorgelegt. Demnach werden die Stromgestehungskosten erneuerbarer Energien in Zukunft günstiger sein als die der konventionellen Stromproduktion.

Das liegt der Studie nach unter anderem am ansteigenden CO₂ -Preis, der im Jahr 2030 bei mehr als 100 Euro pro Tonne liegen könnte. Das mache die Stromgewinnung in fossilen Kraftwerken im Vergleich zu erneuerbaren Energien teuer. Daher dürften Unternehmen stärker in neue EE-Anlagen investieren. Vorausgesetzt, „dass genügend Flächen und Kraftwerkskapazitäten für Wind und PV zur Verfügung stehen“, so Projektleiter Dr. Christoph Kost.

Die ISE-Preisprognose bei Solaranlagen: 2040 dürften die Stromgestehungskosten zwischen 3,58 und 6,77 Cent/kWh bei kleinen PV-Dachanlagen und zwischen 1,92 und 3,51 Cent/kWh bei Freiflächenanlagen liegen. Und weiter heißt es: „Im Jahr 2030 könnte dann die Stromerzeugung aus einem PV-Batteriesystem günstiger als aus einem Gas- und Dampf- (GuD) Kraftwerk sein. Im Jahr 2040 können dann selbst kleine PV-Batteriesysteme Stromgestehungskosten zwischen 5 und 12 Cent/kWh erreichen.“

Zum Vergleich: Mitte Mai 2024 kostete Industriestrom in Deutschland 17,9 Cent/kWh – wie von ibis World vorhergesagt.