Im Interview mit Inside Business berichten Category Manager Medical Dr. Ronny Piechnik und  Sebastian Schrader, Strategischer Einkäufer für Persönliche Schutzausrüstung (PSA), wie sich die Pandemie bis heute auf ihre Arbeit bei der igefa auswirkt und welche Learnings sie aus den Ereignissen ziehen.

Herr Dr. Piechnick und Herr Schrader, die Corona-Pandemie hat Ihren Geschäftszweig vermutlich komplett auf den Kopf gestellt: Auf der einen Seite sind die Bedarfe immens gestiegen, auf der anderen Seite war und ist die Beschaffung dieser Produkte extrem herausfordernd.

RP: Das stimmt. Die größte Herausforderung war die ständige Unsicherheit. Entscheidungen mussten immer abgewogen und abgeschätzt werden, die meisten Prozesse haben wir außerhalb der regulären Vorgänge abgebildet. Und das nicht über einen begrenzten Zeitraum, sondern mittlerweile in einem nicht absehbaren Marathon.

Können Sie das an einem konkreten Beispiel veranschaulichen?

SS: Nehmen wir FFP2-Masken. Im Dezember 2019, als die ersten Corona-Fälle in China auftraten, haben die Konzerne große Mengen an FFP2-Masken gekauft und einen Großteil davon nach Fernost verbracht, um ihre Mitarbeiter dort zu schützen. Als Corona dann in Deutschland auftauchte, hatten die renommierten europäischen Hersteller keine Ware mehr verfügbar. Teils wurden Auftragseingänge im Vergleich zum Vorjahr dort um das Fünfhundertfache übertroffen. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als die Masken aus China zu importieren. Wir waren natürlich nicht die Einzigen, die ganze Welt versuchte, die Ware über den Flughafen in Shanghai zu verfrachten. Da herrschte absolutes Chaos. Über Ostern musste ich sicherlich zehn bis 15 Mal mit den Logistikern vor Ort telefonieren – erst hieß es, die Ware sei beim Zoll, dann auf dem Rollfeld liegen geblieben, dann wusste niemand mehr, wo sich die Masken befanden. Ostermontag bekam ich dann eine Nachricht, dass die Lieferung in Frankfurt eingetroffen war. Wir mussten also immer von Tag zu Tag schauen, eine vernünftige Planung war nicht möglich.

Und wie hat sich diese Situation auf die Preise ausgewirkt?

SS: Ab Werk wurden bis zu 2,50 Euro pro Fernost-Maske verlangt, die vor der Pandemie überhaupt keine Rolle in Europa spielten. Und die Frachtkosten haben damals nochmal gut 50 Prozent vom Einstandspreis ausgemacht. Heute liegen die Preise der billigen Importmasken meist deutlich unter denen der Marken-Pendants.

Mittlerweile werden Masken ja auch in Deutschland in größerer Zahl gefertigt …

SS: Ja schon, aber die Hersteller werden es im Wettbewerb schwer haben, da sie die Preise der ausländischen Konkurrenz nicht mitgehen können. Für die meisten Unternehmen, die große Maskenmengen ausschreiben, zählt in erster Linie der Preis und nicht „Made in Germany“.
 


Und wie stellt sich die Situation im April 2021 dar? Gibt es immer noch Schwierigkeiten in den Lieferketten oder hat sich die Lage normalisiert?

RP: Das ist produktabhängig. Derzeit werden beispielsweise Einmalhandschuhe stark nachgefragt, da die Bestände mittlerweile aufgebraucht sind. Teilweise lag die Nachfrage dreimal über dem, was die Produzenten leisten konnten. Das Problem bei Handschuhen: Der Aufbau einer Produktion oder Erhöhung bestehender Kapazitäten in Asien ist viel aufwendiger als bei Masken. Sie dauert rund 18 Monate. Kostet eine Box mit 100 Nitril-Einmalhandschuhen im Einkauf normalerweise um die zwei Euro, lagen wir zwischenzeitlich bei zehn Euro und mehr. Und die Preise fallen nur sehr langsam. Das liegt zum Teil auch an den Containerkosten, die etwa um das Fünffache gestiegen sind. Denn auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa hat sich das Gleichgewicht verschoben, wodurch es sowohl an Containern als auch an Schiffen in Asien mangelt.

Wie hat sich die Pandemie auf Sie als Einkäufer ausgewirkt: Waren Sie kurz vor dem Durchdrehen, haben die Herausforderungen Sie angespornt oder wünschten Sie sich zwischenzeitlich einen anderen Beruf?

RP: Nein, einen anderen Beruf wünschte ich mir nicht. Aber die ständige Unsicherheit, ob die getroffenen Entscheidungen richtig waren, hat einige schlaflose Nächte verursacht. Wir gucken quasi täglich aufs Neue in die Glaskugel und müssen manchmal einfach aus dem Bauch heraus entscheiden. Ein gutes Beispiel sind die COVID-19 Antigentests. Mit der von der Bundesregierung festgelegten Teststrategie war der Bedarf plötzlich riesig, und die in Deutschland befindlichen Bestände reichten nicht aus. Damit musste von heute auf morgen Ware beschafft werden. Aufgrund des angepassten Infektionsschutzgesetzes basierend auf Inzidenzwerten, die sich täglich ändern, müssen wir bei jeder Bestellung aufs Neue abschätzen, wie groß der Bedarf in zwei oder drei Wochen sein könnte und wie sich die Preise wohl entwickeln werden.

Sind Sie durch diese Erfahrungen für die nächste Pandemie besser gewappnet?

SS: Nur bedingt. Sicherlich bekommt man ein besseres Gefühl für solche Situationen, aber einen Standardprozess für die Beschaffung unter Pandemiebedingungen wird es wohl nicht geben. Und was das Global Sourcing angeht: Bei Produkten wie Handschuhen sind wir auf Fernost angewiesen, da fast ausschließlich dort die großen Fertigungsanlagen existieren. Bei allen Produkten helfen uns allerdings unsere neu gewonnenen Lieferanten sehr, die wir ja ursprünglich aus der Not heraus hinzugezogen hatten. Ebenso wie direkte Kontakte zu den Herstellern, auf die wir vor der Pandemie nicht in der Form zurückgreifen konnten. In der Zukunft können wir also bei einem Lieferantenausfall auf einige weitere Quellen zurückgreifen und auch generell den Wettbewerb unter den Lieferanten ein wenig forcieren.

 

 

 

Dr. Ronny Piechnik

Category Manager Medical bei igefa

 

 

Sebastian Schrader

Strategischer Einkäufer für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) bei igefa