Als innerhalb weniger Monate zwei Mitarbeiter so schwer erkrankten, dass sie nicht mehr in den Arbeitsprozess integriert werden konnten, wusste Alexandra Schmidt, dass sie reagieren musste. Zwar sichert die Hessische Schraubenfabrik Welter Invalidität über ein mittlerweile geschlossenes Versorgungswerk ab. Das bestehende Entgeltumwandlungssystem bot in diesem Fall jedoch keinen Schutz, da hier der Schwerpunkt auf Versorgungsleistungen für das Alter liegt. Schon länger hatte sich die Geschäftsführerin vorgenommen, die betriebliche Altersversorgung (bAV) zu modernisieren und auch an die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Herausforderungen anzupassen. Mehr als 35 Prozent der Belegschaft waren mittlerweile zwischen 50 und 64 Jahre alt. Der Anteil gewerblicher Mitarbeiter lag bei fast 80 Prozent. So fiel die Entscheidung leicht, für die bisher unversorgten Mitarbeiter eine Zusatzversorgung bei Berufsunfähigkeit anzubieten. „Betriebliche Altersvorsorge vermittelt ein stärkeres Sicherheitsgefühl als private Altersvorsorgeprodukte“, sagt Jutta Rothmund, Senior Consultant bei dem Meinungsforschungsinstitut YouGov. Eine von dem Institut durchgeführte Umfrage zeigte, dass beim betrieblichen Engagement vor allem zwei Aspekte als besonders positiv wahrgenommen werden: Durch die Beteiligung des Arbeitgebers sehen die Mitarbeiter einerseits den finanziellen Nutzen, andererseits wird durch die regelmäßig erfolgenden Einzahlungen der psychische Druck von ihnen genommen, sich mit dem Thema Altersvorsorge zu beschäftigen.
Attraktivität erhöhen
Seit 2001 sind Arbeitgeber in der Pflicht, ihren Mitarbeitern ein Vorsorgeangebot zu machen. Unabhängig davon, für welchen der fünf Durchführungswege – Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionszusage, Pensionsfonds und Unterstützungskasse – sie sich auch entscheiden, sie können mit Angeboten zur Betriebsrente Steuern und Abgaben sparen. Laut der Studie „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand“, die das F.A.Z.-Institut zusammen mit der Generali- Versicherung durchgeführt hat, hängt für die Arbeitgeber die Entscheidung für ein Produkt und für einen Durchführungsweg jedoch vor allem von einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand und einem möglichst hohen Maß an Sicherheit bei der Kapitalanlage ab. Die Nachfrage nach Angeboten zur Betriebsrente steigt jedenfalls an. Sie ist übrigens besonders hoch, sobald sich der Arbeitgeber an der Finanzierung beteiligt. Noch sind Angebote zur Direktzusage, also die Entgeltumwandlung, der am häufigsten genutzte Weg, doch andere Angebote holen auf. „In der betrieblichen Altersvorsorge müssen wir unbedingt die Attraktivität für kleine und mittlere Unternehmen erhöhen“, sagt Yasmin Fahimi, Staatssekretärin im Arbeitsministerium. Sie bekräftigt damit den Willen der Regierung, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken.
Altersvorsorge dient nicht nur dazu, die Mitarbeiter stärker ans Unternehmen zu binden, sondern auch der Motivation.
Das Sozialpartner-Modell
Doch welche Vorschläge des Arbeitsministeriums werden am Ende in die Tat umgesetzt? Um Armut im Alter entgegenzuwirken, brachten Politiker aus Hessen im Frühjahr eine „Deutschlandrente“ ins Spiel. Dabei handelte es sich um eine staatlich organisierte Zusatzrente, die den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als eine Art Standard-Option angeboten werden soll. Doch der Vorschlag scheint vom Tisch, und welche Lösung dem Arbeitsministerium vorschwebt, ist seit Langem bekannt. Es soll eine gemeinsame Versorgungseinrichtung der Tarifpartner entstehen: das Sozialpartnermodell. „Wir wollen auch den nicht-tarifgebundenen Unternehmen die Möglichkeit zu einer Haftungsgemeinschaft bieten“, sagt Fahimi. Damit wäre ein Zugang ohne große Hürden geschaffen, um die betriebliche Altersversorgung auch bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie Geringverdienern mit einem Monatseinkommen von unter 1.500 Euro voranzubringen. Gerade in diesem Bereich bestehe großer Nachholbedarf, glaubt die Staatssekretärin. „Bestehende Systeme wie die Metallrente oder der Chemie-Pensionsfonds sollen nicht infrage gestellt werden“, sagt Fahimi. Laut F.A.Z.-Studie legen gemischt finanzierte Betriebsrenten sowie Branchen- und Tarifvertragspläne zu, doch um die Nachfrage der Beschäftigten deutlich zu beleben, sind flexible Vorsorgelösungen gefragt, die sich dem individuellen Bedarf des einzelnen Mitarbeiters anpassen, sowie eine finanzielle Förderung. Denn die Verantwortlichen in den Betrieben sehen bei vielen Mitarbeitern nur geringe Finanzreserven für eine zusätzliche Altersvorsorge, weshalb diese ein geringes Interesse an der Entgeltumwandlung hätten. „Die Ergebnisse zeigen, dass gerade für Personen mit geringerem Einkommen neue Anreize zum Erwerb von bAV-Ansprüchen gesetzt werden müssen, denn sie sind stärker von Altersarmut bedroht und dringend auf ein zusätzliches Einkommen im Alter neben der gesetzlichen Rente angewiesen“, erklärt Michael Stille, Vorstandsmitglied bei den Generali Versicherungen.
Für personalpolitische Ziele nutzen
Aber noch ein anderes Argument könnte für die Unternehmen entscheidend sein, sich stärker zu engagieren. Laut der YouGov-Umfrage seien besonders junge Arbeitnehmer an Angeboten zur betrieblichen Altersvorsorge interessiert. Der Anreiz, qualifizierte Fachkräfte zu finden und an das Unternehmen zu binden, wird immer größer. Viele Arbeitgeber setzen das als personalpolitisches Instrument ein. Das Logistikunternehmen Dachser beispielsweise verbindet sein Angebot zur betrieblichen Altersvorsorge mit einem Konzept für nachhaltiges Gesundheitsmanagement. Sicherheit in der bAV lautete für die Samson AG oberstes Gebot. Vor zwei Jahren stellte das Frankfurter Unternehmen sein System für Betriebsrenten neu auf. In der alten Form wurde mit Rückstellungen gearbeitet, in denen es eine definierte Leistung mit Basis- und Steigerungsbeitrag gab. „Das hat uns sehr belastet“, sagt Matthias Ganz, Leiter der Zentralabteilung Personal- und Sozialwesen bei Samson. „Wir haben praktisch Versicherung gespielt. Die Versorgungsversprechen haben wir im Hintergrund finanziert und über die Unterstützungskasse ausgezahlt“, so Ganz. „Bei der alten Form des reinen Versorgungsversprechens konnten wir nur zwei Jahresrenten im Voraus finanzieren. Wenn jemand in Rente ging, lebten wir aus der Kasse. Das wollten wir beenden. Zu Rentenbeginn soll die Rente voll bezahlt sein.“
Motivierend und sicher
Ein gängiges Modell der Entgeltumwandlung besteht darin, das Weihnachts- oder Urlaubsgeld dafür zu verwenden, und der Chef zahlt noch etwas obendrauf. Zwar wird betriebliche Altersversorgung damit zu einem großen Personalkostenblock. Sie wird aber von vielen Firmen als wichtiger Aspekt der Mitarbeiterfürsorge geschätzt. Und dient so nicht nur dazu, die Mitarbeiter stärker ans Unternehmen zu binden, sondern fördert auch die Motivation. Je größer der Anteil, den das Unternehmen trägt, desto geringer ist die Fluktuationsquote. Beim Heidelberger Software-Anbieter Systematika übernimmt das Unternehmen die Leistungen komplett selbst. Zehn Prozent des Gehalts zahlt die Firma zusätzlich aufs Rentenkonto. Seither sank die Fluktuation im Betrieb quasi auf null. Mitarbeiterbindung, die funktioniert.
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