Ob Heinz Neumüller geahnt hat, was einmal aus seinem kleinen Fotolabor werden würde? In nicht einmal einem halben Jahrhundert? Sein CEWE COLOR Betrieb, 1961 im niedersächsischen Oldenburg gegründet, wuchs zu einem der größten europäischen Unternehmen für Fotoentwicklung heran. Vermutlich hätte Neumüller sich die Augen gerieben, wenn er gesehen hätte, wie in den elf CEWE-Betriebsstätten heute gearbeitet wird. Wo einst Mitarbeiter Filmrollen in Dunkelkammern belichteten, verwandeln heute Maschinen digitale Daten in Fotos auf Papier: Ein Rechner liest die eingehenden Dateien aus und leitet sie – zusammen mit der Information, wie viele Abzüge gewünscht sind und ob diese matt oder glänzend sein sollen – direkt an einen Drucker weiter. Die belichteten Bilder passieren ein Entwicklungsbad, werden dann fixiert und getrocknet. Ein Packautomat schneidet die Bildrollen in das richtige Format und verpackt die Fotos in Auftragstaschen. Ein anderes Gerät druckt das Etikett mit der Kundennummer auf, und schon landen die fertigen Urlaubserinnerungen im Kundenfach. Alles automatisch. Rund 2,3 Milliarden Stück verarbeitet CEWE auf diese Art pro Jahr.

 

 

Immer bereit zu Innovationen
 

Vermutlich hätte Neumüller auch gestaunt, was sich heute alles schnell und einfach mit Bildern versehen lässt. Die Palette der Fotogeschenke im Sortiment reicht von T-Shirts und Taschen über Schürzen und Spardosen bis hin zu Alu-Trinkflaschen und Skat-Karten. „Wir bedrucken alles, was sich nicht wehrt“, flachste Firmenchef Rolf Hollander in einem Interview mit der Berliner Zeitung.

Die beste Produktidee hat dann aber doch wieder mit Papier zu tun. Das Einkleben von Fotos in Alben kostet Zeit und Nerven, dachte sich Hollander vor etwas mehr als zehn Jahren. Wäre es nicht viel praktischer, wenn man das fertige Buch gleich aus dem Laden mitnehmen und – ohne Klebstoffreste an den Fingern – zu Hause ins Regal stellen oder verschenken könnte? Die Idee des  CEWE-Fotobuches war in der Welt, 2005  kam es auf den Markt. Heute ist es nicht nur der Bestseller (5,9 Millionen werden pro Jahr geordert), sondern auch der wichtigste Umsatzbringer: Von den 380 Millionen Euro, die CEWE mit der Fotosparte verdient, entfällt die Hälfte auf das Buch.

 

 

Aus Bildern ein Buch zu drucken, das war zunächst aber noch eine Herausforderung. Abteilungsleiterin Heike Capaldi erinnert sich an die erste Zeit: „Alles fand in einer Halle und mit viel Handarbeit statt. Neu war, dass die Titelseite mit einem individuellen Foto versehen werden konnte.“ Maschinen mussten angeschafft werden, die diese Ein-Buch-Auflagen bewältigen konnten. Der Digitaldruck machte es möglich, Druckplatten wurden überflüssig, kleine Auflagen waren kein Problem mehr. Heute würde die Größe eines Fußballfeldes für die Maschinen nicht mehr ausreichen: Allein in Oldenburg sind 60 Mitarbeiter in vier Hallen damit beschäftigt, Inhalte und Umschlag auf speziellen Klebebindern zu einem fertigen Buch zusammenzufügen. Zur Hochsaison vor Weihnachten sind es mehr als 100 Mitarbeiter.

Der Fortschritt zeigt sich auch in der Produktpalette für das Fotobuch und dessen Herstellung. Der Kunde wählt unter neun Formaten und fünf Papierqualitäten aus. Er kann sich für die eigene Gestaltung eine Software herunterladen. Mithilfe von Passepartouts, verschiedenen Hintergründen, Schatten oder Collagen sind den eigenen Wünschen kaum Grenzen gesetzt. Eine spezielle Bindung ermöglicht den Druck über die Seitenmitte. Die Produktion eines Buches dauert heute nur noch zwei Tage, vor zehn Jahren waren es sieben. Bei Fotos geht es noch schneller. Zwischen Bestellung und Auslieferung liegen oft weniger als 24 Stunden. Nur noch gut die Hälfte der Produkte kommt in die Filialen der Handelspartner, zu denen die Drogerien DM, Drogerie Müller und Budnikowsky in Norddeutschland zählen sowie die Elektronikmärkte Media Markt und Saturn. Die andere Hälfte geht auf Online-Bestellungen zurück und wird den Kunden nach Hause geliefert.
 

Die digitalen Anfänge

Dieser Sprung aus der analogen in die digitale Welt macht Rolf Hollander besonders stolz. Die CEWE Digital GmbH entstand bereits 1997, vier Jahre später wurde die französische Konica Photo Service France übernommen und der Marktanteil von 15 auf mehr als 20 Prozent erhöht. Seit 1998 können Fotoaufträge online ausgeführt werden. Hollander nicht ohne Stolz: „Wir waren damals der Zeit voraus.“ So gab es bereits 1997 in manchen Läden Stationen, an denen Kunden über ihre Kameras eine Bestell-CD brennen konnten. Nur genutzt hat sie kaum jemand. Genauso wenig wie die Bestellmöglichkeiten über die Homepage ein Jahr später. Wie auch? Selbst 2000 lag der Anteil der Digitalkameras noch unter einem Prozent. Hollander sagt: „Es hat Freude gemacht zu sehen, wie CEWE diesen enormen Wandel von analog auf digital mit entwickelt hat. Wir haben damit rechtzeitig angefangen, konnten so in Ruhe wachsen und gleichzeitig über die nächste Welle der Innovation nachdenken.“ 

Quotation mark

In Ruhe wachsen und immer über die nächste Welle der Innovation nachdenken

 

Und das mit Erfolg: Die Digitalisierung von Grußkarten und Kalendern wurde weiterentwickelt. Die Bestellungen waren einfacher, das Produkt schöner. Ein wichtiges Jahr war 2005: Die digitalen Umsätze waren noch gering, aber bei CEWE erkannte man am Beispiel des Fotobuchs, dass es nicht mehr nur ums Entwickeln der Bilder ging. So wandelte sich die Firma von der Handelsmarke zum Markenhersteller. Seither wird mit der Marke CEWE geworben. Diese Umstellung vom analogen auf ein vollständig digitales Unternehmen dauerte nur rund ein Jahrzehnt.
 

Den Weg mitgehen

Die Belegschaft musste den Weg mitgehen und tat es auch. Zunächst waren die Mitarbeiter verunsichert, aber als sie sahen, dass es funktionierte und die Firma wuchs, verschwand auch die Angst vor Veränderungen. Beispielsweise im Marketing: Früher reichte dort ein einziger Mitarbeiter aus. Seine Arbeit bestand im Wesentlichen darin, für die Kunden die Bestelltaschen für die Fotodosen zu designen und die Tafeln in den Drogeriemärkten zu gestalten. Es galt zu überlegen, ob die Kunden ihre Fotos im Format 9 mal 13 entwickeln möchten, matt oder glänzend. Der Marketingchef von damals ist auch heute noch im Unternehmen, er leitet die Abteilung zur Förderung des Kulturgutes Fotografie. Mit Marketingfragen beschäftigen sich mittlerweile mehr als 70 Fachleute, mehr als 150 konzentrieren sich auf neue Entwicklungen. Vielleicht steht dieses Beispiel für eines der Erfolgsgeheimnisse bei CEWE: Alle Veränderungen gemeinsam meistern.

Der Name CEWE ist übrigens eine Abkürzung: Zu Ehren seines Schwiegervaters, Carl Wöltje machte Firmengründer Heinz Neumüller dessen Initialen zum Teil des Firmennamens. Wöltje hatte 1912 in Oldenburg ein kleines Atelier gegründet, seine „Photographische Anstalt“ – die Urzelle von CEWE.

3 Fragen an …

Dr. Rolf Hollander, CEWE-Vorstandsvorsitzender

CEWE hat den Sprung ins digitale Zeitalter erfolgreich bewältigt. Wie haben Sie das geschafft?

Einen großen Anteil am Erfolg haben wir den Mitarbeitern zu verdanken. Viele von ihnen sind schon lange im Unternehmen. Sie waren stets bereit, den innovativen Wandel aktiv mitzugestalten.

Sie haben sehr früh auf digitale Ideen gesetzt. Wie kam es dazu?

Wir haben mit Marktgespür und mit gutem Kontakt zu den Kunden deren Wünsche stets früh erkannt und umgesetzt. Dafür war unsere Begeisterung für Innovationen eine wichtige Voraussetzung.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Wir hatten den Willen zur Transformation und haben uns darin auch bewährt. Diesen Weg wollen wir weitergehen und uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen.

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