Corona-Pandemie: Aktuelle Bestandsaufnahme
Die deutsche Wirtschaft wird sich nur langsam von der Corona-bedingten Rezession erholen, prognostiziert das Bundeswirtschaftsministerium. Zwar habe sie seit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Mai wieder zugelegt. Der weitere Erholungsprozess im zweiten Halbjahr und auch danach wird jedoch schleppend erfolgen und sich länger hinziehen, heißt es in dem Bericht. Grund sei auch die Ungewissheit darüber, wie sich die Pandemie weiterentwickle.
Noch sind die Belastungen für die Wirtschaft durch die Corona-Krise nicht vollständig absehbar. Dennoch gibt es auch positive Zeichen. Die erste Welle der Corona-Pandemie ist im Juni 2020 weitgehend überstanden, die Zahl der Infektionen verharrt in Deutschland (von regionalen Ausbrüchen abgesehen) auf niedrigem Niveau. Nahezu alle Prognosen von Regierungen, internationalen Organisationen und Wirtschaftsforschern für das Jahr 2021 gehen von einer positiven Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus. Die Vorhersagen aus dem Juni 2020 liegen zwischen einer Steigerung von 1,7 Prozent (OECD) und 4,5 Prozent (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut).
Ausblick auf Herausforderungen und Chancen in der Zeit nach Covid-19
Viele Unternehmen haben zu den typischen Kostensenkungsmaßnahmen wie Kurzarbeit, Einstellungsstopp und Verringerung des Marketing-Budgets gegriffen, nachdem das Ausmaß der Krise sichtbar wurde. Dauerhaft sind diese Maßnahmen allerdings nicht geeignet, um auf dem Markt bestehen zu können. Um in der Post-Krisen-Ära nicht ins Hintertreffen zu geraten, gilt es sich den Herausforderungen zu stellen und die sich ergebenden Chancen zu nutzen. Die folgenden Punkte sollten auf jeder Agenda stehen:
- Die Basis ist weiterhin, die eigene Liquidität zu sichern und die Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Wer Zweifel hat, die Krise aus eigener Kraft bewältigen zu können, sollte sich rechtzeitig nach Partnerschaften umsehen.
- Die bestehenden Lieferanten sollten einer gründlichen Kontrolle unterzogen werden. Eine drohende Insolvenz eines Anbieters frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, kann dem eigenen Unternehmen das Überleben sichern.
- Unternehmen sollten Mechanismen etablieren, um zukünftige Unterbrechungen ihrer Lieferketten besser abzufangen und kurzfristige Anpassungen vorzunehmen. Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind hierbei hilfreich.
- Schon jetzt stellt sich heraus, wie hilfreich eine durchgängige Digitalisierung sein kann. Allein die notwendigen Maßnahmen zur Sicherheit der Mitarbeiter-Gesundheit angesichts der Möglichkeit einer Corona-Infektion sind mit Remote Work viel einfacher umzusetzen. Eine konsequente IT-Infrastruktur reduziert nicht nur die Orts- und Personengebundenheit der Mitarbeiter, sondern sorgt auch für eine Transparenz der Wertschöpfungsketten.
- Abgesagte oder alternative digitale Meetings führen zu einem Zeitgewinn, der sich nutzen lässt, um Ideen weiterzuentwickeln, die vielleicht schon lange in der Schublade liegen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu überlegen, welche neuen digitalen Produkte und Leistungen um die Kernprodukte herum Interesse wecken können, die nach der Krise eine wesentlich höhere Akzeptanz haben werden als zuvor.
Verschiebung der Beschaffungsmärkte: Steht das Ende der Globalisierung bevor?
Viele Unternehmen mussten die Produktion wegen Teilemangels vorübergehend einstellen, in manchen Fällen sogar mehrmals. Dies zeigt deutlich, dass die Problematik der Verfügbarkeit und die Wechselwirkungen in einer weitverzweigten Supply Chain nicht unterschätzt werden sollten. Es kann also durchaus sinnvoll sein, den Fokus trotz höherer Einkaufspreise auf regionale Beschaffungsmöglichkeiten zu richten, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Eine aktuelle Studie von Abels & Kemmer kommt zu genau diesem Ergebnis. Die Untersuchung zu den Auswirkungen von Corona auf das Supply Chain Management sagt signifikante Veränderungen der Lieferantenstrukturen voraus. Danach ist in der Beschaffung zumindest von einer Verlangsamung des Globalisierungstrends auszugehen, gegebenenfalls sogar von einem deutlichen Rückgang. Profitieren wird vor allem der EU-Bereich plus Norwegen sowie speziell die DACH-Region, prognostizierte die Mehrzahl der 250 befragten deutschen Unternehmenslenker und Supply-Chain-Experten.
Nachhaltige Neuausrichtung der Arbeitsorganisation
Ein „Weiter so“ wie vor der Corona-Zeit ist eine waghalsige Strategie. Denn die Pandemie hat in vielen Unternehmen die Schwachstellen schonungslos offengelegt. Um ähnliche Szenarien künftig besser abfedern zu können, ist eine nachhaltige Neuausrichtung des Geschäftsmodells in vielen Fällen notwendig.
So können die Überlegungen beispielsweise die Arbeitsorganisation betreffen: Eine Reduzierung von Fixkosten zugunsten von variablen Kosten erscheint sinnvoll. Neben festangestellten Mitarbeitern rücken dann die Beschäftigung von Freelancern, eine weitergehende Automatisierung, die Bildung von Unternehmensallianzen und Outsourcing in den Fokus. Dadurch lassen sich Risiken streuen und ein bedarfsgerechter Zugang zu benötigten Fähigkeiten herstellen.
Doch damit allein ist es nicht getan. Die teils erzwungene, aber oft erfolgreich umgesetzte Digitalisierung wirft weitere Fragen auf: Ist ein zentraler Arbeitsplatz wie ein Büro überhaupt noch notwendig? Sind die Kosten zu rechtfertigen? Sollten bestimmte Tätigkeiten weiterhin aus dem Homeoffice ausgeführt werden, auch wenn die Arbeit im Unternehmen selbst wieder möglich ist?
Auf all diese Fragen gibt es keine pauschale Antwort, da die Anforderungen je nach Branche divergieren. So werden produzierende Unternehmen wahrscheinlich den Großteil ihrer Belegschaft wieder an den Arbeitsplatz zurückholen müssen, während Dienstleister mehr Möglichkeiten zu Remote Work haben. Fraglos wird aber eine differenzierte Sicht auf den Arbeitsplatz erforderlich sein, als es vor der Krise der Fall war.