Frau Lins, ist es gesetzlich geregelt, ab wann eine Überstunde eine ist und nicht mehr der normalen Arbeitszeit zuzurechnen?
Ute Lins: Nein, eine gesetzliche Regelung gibt es nicht. Überstunden sind die Arbeitszeiten, in denen der Arbeitnehmer über seine vertraglich oder tariflich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen erbringt. Der Arbeitgeber muss zudem diese zusätzliche Arbeit angeordnet oder zumindest geduldet haben. Wer freiwillig länger arbeitet und den Chef darüber nicht informiert, hat nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts keinen Anspruch auf eine Vergütung.
Wann sind Überstunden zulässig und in welchem Rahmen?
In besonderen Fällen kann durchaus eine Verpflichtung dazu vorliegen. Und zwar dann, wenn es zu besonderen betrieblichen, nicht vorhersehbaren Ereignissen im Unternehmen kommt, beispielsweise Maschinenausfall, Brand, Umzug etc. Hier kann die im Anstellungsverhältnis begründete Treuepflicht vom Arbeitnehmer eine erhöhte Solidarität und damit die Erbringung von Überstunden erfordern. Andererseits sind Überstunden zulässig, wenn dies ausdrücklich einzelvertraglich vereinbart wurde.
Gibt es Zeiten, die eingehalten werden müssen?
Die werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Die Manteltarifverträge sehen für einzelne Berufsgruppen durchaus unterschiedliche Regelungen vor.
Wer bestimmt, wie der Ausgleich der Überstunden erfolgt? Der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer?
Das tun die Parteien des Arbeitsvertrages, die Tarifpartner oder es ist Ergebnis einer Betriebsvereinbarung. Das letzte Wort bleibt jedoch dem Arbeitgeber. Überstunden sind in der Regel gesondert vergütungspflichtig oder es erfolgt ein Freizeitausgleich. Die Parteien können jedoch im Vertrag pauschal vereinbaren, dass eine bestimmte Anzahl der Überstunden durch das Gehalt abgegolten ist. In der Praxis hat sich eine Grenze von zehn Prozent der Regelarbeitszeit bewährt.
Kann der Arbeitnehmer darauf beharren, die Überstunden anzusammeln und sie dann in einem Stück zu nehmen?
Nein. Der Arbeitnehmer muss dabei immer die betrieblichen Interessen beachten. Viel kann hier jedoch verhandelt werden, und es gibt immer wieder Vereinbarungen zwischen Vertragspartnern oder Tarifpartnern, wann Überstunden abgefeiert werden müssen.
Dürfen Überstunden zur Regel werden?
Das sollten sie nicht. Sie sind jedoch gerade bei leitenden Angestellten, bei denen das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung findet, die Regel. Hier können Überstunden sogar mit einem hohen Bruttomonatsgehalt abgegolten sein, da das BAG eine zusätzliche Vergütungserwartung verneinen könnte.
Verfallen bereits geleistete Überstunden im Falle der Kündigung durch den Arbeitnehmer?
Nein. In vielen Arbeitsverträgen sind jedoch sogenannte »Ausschlussfristen« zu finden, mit denen der Arbeitnehmer die Überstunden innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen muss, da der Anspruch auf ihre Vergütung sonst verfällt.
Frau Lins, vielen Dank für das Interview!
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