Streik bei der Bahn kostete die deutsche Wirtschaft eine Milliarde Euro

Gehen Arbeitnehmer in den Ausstand, dann sind – je nach Branche – auch viele Unbeteiligte davon betroffen. Ein gutes Beispiel für die weiten Kreise, die ein Lohnkampf ziehen kann, ist der GDL-Streik Anfang 2024. Die Gewerkschaft der Lokführer rief ihre Mitglieder dazu auf, ihre Arbeit vom 22. Januar bis zum 29. Januar niederzulegen. Und das sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Damit ging für mehrere Tage so gut wie nichts mehr auf deutschen Gleisen.

Unzählige Waren blieben im stillstehenden Schienenverkehr im wörtlichen Sinne auf der Strecke. Auch geplante und gebuchte Geschäftsreisen per Bahn mussten ausfallen. Obwohl der Lohnkampf etwas früher als angekündigt endete, dürfte er immense Kosten für Industrie und Handel verursacht haben. Konkrete Zahlen dazu gibt es zwar nicht, aber Prof. Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) schätzt die ökonomischen Verluste auf mindestens 100 Millionen Euro pro Tag. Und der Konjunkturchef des IW, Michael Grömling, vermutet, dass der GDL-Steik insgesamt sogar eine Milliarde Euro kosten könnte. Der Grund: Die Verluste stiegen in diesem Fall nicht mehr linear an, sondern multiplizierten sich teils.
 

Streik ist ein verbrieftes Recht

Manche Unternehmen trifft so etwas härter als andere; grundsätzlich dagegen wehren kann sich keines: Streiks sind in Deutschland unter bestimmten Bedingungen ein verbrieftes Recht. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dazu: Ein Streik ist „die gemeinsame vorübergehende Arbeitsniederlegung der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer eines Betriebs. Der Streik ist ein gesetzlich zulässiges Arbeitskampfmittel der Gewerkschaft zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Forderungen, z. B. Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung.“
Und so mussten nicht direkt betroffene Unternehmen den GDL-Streik im Januar 2024 ebenso hinnehmen wie die kurz darauf stattfindenden Bauernproteste mit Traktoren, die wichtige Verkehrsknotenpunkte in Deutschland besetzten. Ob die Aktionen der Landwirte in jedem Fall legal waren, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Zulässig oder nicht – die Folgen waren konkret und spürbar.
 

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Unzufriedenheit allerorten

Auch in anderen Branchen regten sich unter Beschäftigten zu Beginn des Jahres 2024 Unmut und Widerstand. Beides richtete sich oft gegen politische Entscheidungen. Dazu zählte unter anderem die Anfang Januar wieder auf 19 Prozent erhöhte Umsatzsteuer für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen. Sie war im Rahmen der Corona-Pandemie vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt worden. Und im Öffentlichen Personennahverkehr rief die Gewerkschaft Ver.di für den 2. Februar zu einem Ausstand auf. An jenem Tag standen in 80 Städten und rund 40 Landkreisen Busse, Straßen- und U-Bahnen still.

Ob es kurz- bis mittelfristig zu weiteren Arbeitsniederlegungen kommen wird, lässt sich nicht abschätzen. Ein GDL-Streik jedenfalls ist bis zum 3. März ausgeschlossen. Bis dahin gilt wegen neu aufgenommener Verhandlungen zwischen Bahn und Gewerkschaft eine Friedenspflicht.
 

GDL-Streik und Co.: Welche Gegenmittel gibt es?

Große Streiks beeinträchtigen zahlreiche Unternehmen und Branchen – oft nur indirekt, dennoch massiv. Das schließt das B2B-Business und den Einkauf mit ein. Beispielsweise dann, wenn sich Verzögerungen oder Ausfälle bei Transport und Logistik auf den Gleisen ergeben: Wichtige Güter und Waren bleiben in großen Mengen aus oder können nicht an die Geschäftspartner ausgeliefert werden. Dabei stecken die Betriebe und die Bundesregierung in einer Zwickmühle. Dafür sorgt der Koalitionsvertrag von 2021. Demnach soll der Anteil der Bahn am Verkehr in Deutschland von aktuell 19 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent steigen. Das würde die Abhängigkeit von der Schiene deutlich erhöhen und möglichen Streiks eine noch stärkere Durchschlagskraft verleihen. Wie schon jetzt könnte darunter vor allem die Beschaffung in der Auto-, Stahl- oder Chemiebranche leiden.

Doch wie lassen sich die Folgen von Ausständen abfedern? Ein Problem bei der Vorbereitung: Wann und wo Streiks auftreten, lässt sich auf längere Sicht kaum vorhersagen. Klar ist aber, dass die Gefahr bei turnusmäßigen Tarifrunden vergleichsweise hoch ist. Das Risikomanagement sollte deshalb zumindest periodische Lohn- und Arbeitszeitverhandlungen auf dem Schirm haben. Noch besser ist es, die gesamtwirtschaftliche lokale, nationale und globale Situation im Blick zu behalten. So lassen sich mögliche Krisen zwar unbedingt nicht vermeiden – schon gar nicht auf weltweitem Niveau – aber womöglich rechtzeitig erkennen.

Besonders wichtig ist das für Branchen mit typischerweise langen, multinationalen Lieferketten. Diese können auf Konflikte oder Streiks in anderen Ländern sehr sensibel reagieren. Das zeigen Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine und andere Krisenherde. Es ist deshalb sinnvoll, mehrere Lieferanten im Portfolio zu haben. Fällt einer aus, kann ein anderer für ihn einspringen.

Zugleich ist darauf zu achten, die Anzahl der Stakeholder in einer Supply Chain möglichst gering zu halten. Das erhöht zwar die Abhängigkeit von einzelnen Akteuren, macht die Lieferkette aber übersichtlicher. Störungen lassen sich dann einfacher lokalisieren und abstellen oder wenigstens abfedern.

Auch sollten die Wege tunlichst kurz sein. Je näher Lieferanten und Kunden sind, desto flexibler lässt sich auf alternative Transportmittel und -wege umschwenken. Fährt die Bahn nicht, kann vielleicht eine LKW-Spedition Lieferungen vorübergehend übernehmen. Auch für Flugzeuge und Schiffe sollten Ausweichmöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Hier gilt es, sich frühzeitig zu informieren und potenziellen Ersatz zumindest einzuplanen.

Ähnliches trifft auf Geschäftsreisen zu. Hier ist zu prüfen, welche Termine sich verschieben lassen oder ob sie virtuell stattfinden können.

Je besser das Risikomanagement sich auf Streiks einstellt, desto resilienter können Unternehmen darauf reagieren. Die Gegenmaßnahmen haben allerdings ihre Grenzen. Dauert ein Ausstand sehr lange oder wirkt flächendeckend, wird es von Tag zu Tag schwerer, die Folgen aufzufangen.
 

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