Florian Rabl, Geschäftsführer der Content-Produktionsfirma Ice Space Studios, erklärt im Interview, dass es nicht nur ein Metaverse geben wird, was den Mehrwert gegenüber den gängigen virtuellen Anwendungen ausmacht und wie ein unternehmenseigenes Metaverse aussehen kann.
Herr Rabl, Facebook-Gründer Zuckerberg sieht im Metaverse die Zukunft des Internets: Eine Verknüpfung von echter und virtueller Welt, in der die Nutzer sich treffen, spielen, kommunizieren, einkaufen und arbeiten. Wie kann das in der Praxis aussehen?
Bisher ist das Metaverse von Zuckerberg lediglich eine Vision von einer digitalen Welt, in der erstmal grundsätzlich alles stattfinden kann. Es ist aber stark auf Konsumenten ausgerichtet sowie auf Gamification und Social Networking getrimmt. Dieses Metaverse des Technologieriesen Meta, ehemals Facebook, in dem Nutzer beispielsweise virtuelles Land kaufen sollen, ist nur eine Version dieser Idee. Jedes Unternehmen kann im Prinzip sein eigenes Metaverse erschaffen, in dem Nutzer virtuell mit unterschiedlichen Geräten und Avataren in einem dreidimensionalen Raum interagieren. So wie es nicht nur eine Social-Media-Plattform gibt, so wird es auch in dieser Welt viele Plattformen geben, die die individuellen Interessen ihrer Zielgruppe abdecken.
Virtuell treffen und interagieren können sich Unternehmer und Kunden ja jetzt schon. Und wegen der Kontaktbeschränkungen der letzten Zeit haben sie davon auch reichlich Gebrauch gemacht. Wo liegt der Unterschied?
Der Mehrwert des Metaverse liegt im Erlebnischarakter. Für einen rein informativen Austausch ist ein Zoom-Meeting völlig ausreichend und wird auch weiterhin seine Berechtigung haben.
Aber gibt es diese Möglichkeiten nicht bereits? Ich kann als B2B-Unternehmer meine neu entwickelte Maschine doch einfach in einem ansehnlichen 3D-Video auf meiner Website oder Videoplattformen wie YouTube präsentieren …
Auf YouTube schauen sich Interessenten Videos mit vordefinierten Blickwinkeln in einer vordefinierten Zeit an, die in der Regel von einem Sprecher erklärt werden. Das ist auch weiterhin eine sinnvolle Präsentationsmöglichkeit. Aber was wäre, wenn der Besucher das Produkt direkt erleben kann? Nehmen wir als Beispiel einen Bagger: Dieser lässt sich nicht mal eben so bei potenziellen Kunden vor Ort vorführen. Im Metaverse könnte der Baggerproduzent seine Vertriebsmannschaft jedoch mit VR-Brillen oder mit Augmented-Reality-Anwendungen versehenen Tablets ausstatten und den Bagger direkt auf dem Hof des Kunden platzieren. Dieser kann den Bagger dann ebenfalls mithilfe einer VR-Brille Probe fahren und sein Avatar mit den Avataren der Vertriebler ins Gespräch kommen.
Sind Nutzer dabei denn auf VR- oder AR-Brillen angewiesen? Diese sind ja noch vergleichsweise wenig verbreitet …
Das Metaverse kann durch solche Brillen erlebt werden; dann sind die User völlig abgeschottet von der Außenwelt. Es ist aber auch möglich, einfach am Browser in diese virtuelle 3D-Welt abzutauchen. Viele unserer Kunden fahren ein hybrides Modell, die für die breite Masse eine Online-Anwendung anbieten und für die eigene Vertriebsmannschaft oder auf Präsenzmessen VR-Brillen zur Verfügung stellen. Auf das Beispiel bezogen, ließe sich der Bagger auch ohne Brille im Browser in einer Anwendung mit der Tastatur steuern, die Schaufel ausprobieren, konfigurieren und Ähnliches. Diese Konfiguration könnte sich der Interessent dann speichern und per Augmented Reality wiederum auf seinen Hof stellen. Diese gesammelten Vertriebsmöglichkeiten sind auch eine Art Metaverse und gehen weit über das hinaus, was mit der Präsentation per Video möglich ist.
Florian Rabl, Geschäftsführer von Ice Space Studios
Ein wichtiger Marketing- und Vertriebskanal im B2B sind Messen. Wo liegt im Metaverse der Unterschied zu den virtuellen Präsentationen, die seit der Corona-Pandemie zuhauf stattfinden?
Auch hier geht es in erster Linie um den Erlebnisfaktor. Herkömmliche virtuelle Messen sind oft Bilderstrecken oder Renderings von Produkten zum Durchklicken, einem Katalog ähnlich. Das Erlebnis einer Präsenzmesse mit den gewohnten Networking- und Kommunikationsmöglichkeiten wird hier überhaupt nicht abgebildet. Im Metaverse kann der Messebesucher seinen Avatar kreieren und geht mit diesem wie in einem Computerspiel über die Ausstellungsfläche, sieht Avatare anderer Besucher sowie der Aussteller und kann diese ansprechen und um einen Anruf oder eine Beratung bitten. Die Avatare können Speakern auf virtuellen Bühnen lauschen, deren Reden per Livestream übertragen werden oder sich an die Bar setzen, um mit einem anderen Avatar ins Plaudern zu kommen und lockere Verkaufsgespräche zu führen. Die menschliche Connection ist auf diese Weise viel einfacher herzustellen als beispielsweise in Chat-Räumen konventioneller virtueller Messen.
Nach einer Studie könnten sich 61 Prozent der Deutschen eine Nutzung virtueller Welten wie das Metaverse vorstellen oder haben bereits erste Erfahrungen gemacht. Es wird also eine respektable Anzahl an Menschen geben, die in dieser Welt offen für Werbebotschaften sind. Wie können Unternehmen diese Nutzer denn noch erreichen?
Die Möglichkeiten sind enorm, von Event-Sponsoring über virtuelle Verkaufsveranstaltungen ist vieles denkbar. In Marketing-Hinsicht ist die Idee sehr spannend, sich eigene Markenwelten aufzubauen und diese dann einfach per Link im Newsletter oder den Sozialen Medien anzupreisen. Nehmen wir im B2B-Segment einen Hersteller von Berufskleidung: Kataloge und vielleicht der eigene Onlineshop können von einem eigenen Marketingkanal im Metaverse ergänzt werden. Hier konfiguriert sich der Kunde im Browser wieder seinen Avatar und taucht damit über seinen Laptop oder sein Smartphone in virtuelle Welten ein, die das gesamte Sortiment an passenden Orten ausstellen und zum Anprobieren einladen: Winterjacken hoch oben im Gebirge, Stahlkappenschuhe im Steinbruch, Berufsmode für Medizin im Krankenhaus. Damit sind den visuellen Möglichkeiten, die Markenbotschaft zu transportieren, keine Grenzen mehr gesetzt.
Es läuft ihrer Meinung nach also darauf hinaus, dass sich jede Firma ihr eigenes Metaverse erstellt, und die von Facebook promotete virtuelle Welt gar nicht im Zentrum dieser Möglichkeiten steht?
Dieses Zuckerberg-Metaverse kann für bestimmte Unternehmen zu Marketingzwecken sicherlich interessant sein, diverse Sportartikelhersteller engagieren sich da beispielsweise bereits mit hohen Summen und eröffnen dort vielleicht mal eine Art Metaverse-Store. Aber auf das B2B-Segment zielt diese Welt überhaupt nicht ab. Im Geschäftskundenbereich kann ich mir neben selbst gehosteten Metaversen eher vorstellen, dass Anbieter großer Industriemessen Metaverse schaffen und Zugänge für die Teilnehmer einrichten, die dort dann ihre Markenwelten ausstellen.