Warum tun sich Mittelständler mit dem Thema „Compliance“ oft so schwer?
Rainer Markfort: Manche Unternehmer machen es sich sehr einfach, indem sie sagen, dass sie selbstverständlich die Gesetze befolgen und sich deshalb mit dem Thema „Compliance“ nicht weiter beschäftigen müssten. Dabei denken sie häufig, dass sie für alle ihre Mitarbeiter die Hand ins Feuer legen könnten. Dies führt zu der irrigen Annahme, dass man auf Management-Systeme verzichten könne: Compliance funktioniere doch auch so!
Es ist ja auch aufwändig, ein Compliance-Management-System aufzubauen und umzusetzen ...
Markfort: Es geht nicht darum, eine Vielzahl von Compliance-Officern zu beschäftigen. Nein, der Betrieb muss sich diesem Thema nur methodisch richtig nähern. Dazu muss man die Risiken erkennen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Risiken zu begrenzen. Dafür braucht es allerdings Personen im Betrieb, die sich mit Sachverstand um das Thema kümmern.
Wie sollen deutsche Unternehmen damit umgehen, dass anderswo in der Welt andere Regelwerke gelten, Zöllner etwa ein Bakschisch erwarten, bevor sie Waren abfertigen?
Markfort: Viele Unternehmer vertreten die Meinung, dass ein regelkonformes Verhalten im Ausland schlichtweg nicht machbar sei. Diesen Leuten ist kaum zu helfen. Sie haben nicht verstanden, dass sich die Welt in diesem Punkt gerade dramatisch verändert. Sie gehen zudem bewusst das Risiko strafrechtlicher Verfolgung ein und schaden damit sich und ihrem Unternehmen – und ignorieren, dass gute Compliance mittelfristig die wirtschaftlichen Ergebnisse stärkt und nicht schwächt. Die sorgfältige Auswahl von Geschäftspartnern sowie eine gute Geschäftspraxis ist letztlich ein Garant für den wirtschaftlichen Erfolg.
Sind andere Länder konsequenter beim Umsetzen von Compliance-Regeln?
Markfort: Deutschland steht an der Spitze und das hat einen einfachen Grund: Viele unserer Unternehmen sind im Ausland aktiv. Aufgrund des schwunghaften Außenhandels kamen deutsche Firmen relativ früh mit moderner Compliance in all ihren Facetten in Kontakt. Konzerne wie Daimler oder Siemens erfuhren vor rund zehn Jahren am eigenen Leibe, was es bedeutet, wenn man in das Visier US-amerikanischer Ermittlungsbehörden gerät. Das hat für einen nachhaltigen Lerneffekt gesorgt.
Die Anforderungen wachsen, wie „Social Compliance“ zeigt: Unternehmen sollen geradestehen für moralisch und ethisch integres Verhalten ihrer Lieferanten. Ist das nicht zu viel verlangt?
Markfort: „Social Compliance“ wird tatsächlich immer wichtiger. Wer von Medien an den Pranger gestellt wird, bekommt nicht nur Probleme mit dem Image, sondern erleidet Nachteile im Wettbewerb. Um das zu vermeiden, müssen Unternehmen herausfinden, von welchen Lieferanten aus welchen Ländern welche Vorprodukte bezogen werden; wo und wie diese Lieferanten wiederum ihre Vorprodukte beschaffen. Dies ist häufig die größte Herausforderung, da viele Unternehmen über ihre direkten Zulieferer hinaus nicht wissen, wo ihre Vorprodukte herkommen. Sollte die Bestandsaufnahme ergeben, dass es Handlungsbedarf gibt, muss – gemeinsam mit den Lieferanten – gehandelt werden, um Missstände zu beseitigen.
Wie weit können solche Compliance-Strukturen überhaupt greifen?
Markfort: Letztlich können Sie individuelles kriminelles Verhalten nicht ausschließen. Das wird es immer geben. Aber klare Regeln und effiziente Kontrollen verhindern systematisches Fehlverhalten.