Öffentliche Vergabeverfahren: Neue EU-Schwellenwerte 2024

Nach dem Übereinkommen der Welthandelsorganisation über das öffentliche Beschaffungswesen (Agreement on Government Procurement, GPA) müssen die Schwellenwerte für die Geltung des EU-Vergaberechts alle zwei Jahre überprüft und angepasst werden. Im November 2023 hat die EU-Kommission die neuen, angehobenen Konditionen für 2024 verkündet.

Diese gelten damit seit Jahresanfang auch für deutsche Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen möchten. Das betrifft Verfahren, die ab dem 1. Januar 2024 bekanntgemacht wurden oder für die eine Angebotsabgabe herausgegeben wurde. Ab den unten genannten Auftragshöhen sind die Vergabestellen in den Mitgliedsstaaten verpflichtet, Ausschreibungen nach europäischen Vergaberichtlinien durchzuführen und nicht alleine nach nationalen Recht.

Klassische Vergaberichtlinie (2014/24/EU)
 

  • Bauleistungen: 5.538.000 Euro (bis 31.12.2023: 5.382.000 Euro)
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge (obere und oberste Bundesbehörden): 143.000 Euro (bis 31.12.2023: 140.000 Euro)
  • Liefer- und Dienstleistungen (alle übrigen öffentlichen Auftraggeber): 221.000 Euro (bis 31.12.2023: 215.000 Euro)
     

Sektorenrichtlinie und Richtlinie Verteidigung und Sicherheit (2014/25/EU und 2009/81/EG)
 

  • Bauleistungen: 5.538.000 Euro (bis 31.12.2023: 5.382.000 Euro)
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge (obere und oberste Bundesbehörden): 443.000 Euro (bis 31.12.2023: 431.000 Euro)
     

Konzessionen (2014/23/EU)
 

  • Konzessionen: 5.538.000 Euro bis 31.12.2023: 5.382.000 Euro)
     

Die EU-Schwellenwerte bezüglich der sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen verändern sich nicht. Sie bleiben bei 750.000 Euro für öffentliche Auftraggeber und 1.000.000 Euro für Sektorenauftraggeber. Sämtliche Summen verstehen sich als Nettowerte ohne Umsatzsteuer.
 

Deutsches Lieferkettengesetz gilt ab sofort für kleinere Unternehmen

Seit dem 1. Januar 2023 gilt das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lksg), auch bekannt als Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder Lieferkettengesetz. Es unterstellt Unternehmen mit Sitz oder Niederlassungen in Deutschland strengen Anforderungen hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte sowie von Umweltstandards in der globalen Wirtschaft. Sein wesentlicher Zweck: Unterstützung und Förderung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

Im ersten Jahr betraf es rund 900 Firmen mit Sitz in Deutschland mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab 1. Januar 2024 fallen unter das Lieferkettengesetz zusätzlich etwa 4.800 deutsche Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Noch schärfere Bestimmungen sind vom bevorstehenden EU-Lieferkettengesetz zu erwarten. Im Dezember 2023 hat das EU-Parlament die Weichen für das Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) gestellt. Auch dieses Vorhaben zielt auf eine starke unternehmerische Sorgfaltspflicht ab. Seitens der EU-Kommission heißt es dazu unter anderem: „Die Kernelemente dieser Pflicht bestehen darin, negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt im eigenen Betrieb, in den Tochtergesellschaften und in den Wertschöpfungsketten des Unternehmens zu erkennen, zu beenden, zu verhindern, zu mildern und zu bilanzieren.“

Dabei weitet es im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz den Geltungsbereich deutlich aus. So berührt das CSDDD europäische Firmen bereits ab einer 250-köpfigen Belegschaft und damit auch viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland. Es erstreckt sich nicht nur auf direkte Zulieferer, sondern bezieht auch Nutzer und Entsorger von Produkten ein. Verstöße gegen das CSDDD können zu Schadenersatz berechtigen, der sich vor europäischen Gerichten einklagen lässt.

Die Umsetzung muss noch abschließend von EU-Parlament und EU-Rat diskutiert und verabschiedet werden, was als reine Formsache gilt. Es wird erwartet, dass das EU-Lieferkettengesetz spätestens 2026 in Kraft tritt. Deshalb sollten sich Unternehmen bereits 2024 damit beschäftigen.

 


Amazon Report: Diese Themen beschäftigen den Einkauf 2024

Welche Themen und Ziele beschäftigen den Einkauf auf internationaler Ebene? Antworten darauf will der State of Procurement Data Report 2024 geben, den Amazon Business im November 2023 auf der Konferenz Amazon Business Reshape vorgestellt hat. Dazu wurden mehr als 3.000 Einkäufer, Beschaffungsentscheidungsträger und Führungskräfte der Branche aus Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Spanien, Großbritannien und den USA interviewt.

Der Bericht bestätigt den Wandel, den Einkauf und Beschaffung bereits seit einiger Zeit erleben. Demnach gewinnen die entsprechenden Abteilungen an Bedeutung über ihren angestammten Wirkungskreis im Unternehmen hinaus. Angesichts aktuell stark volatiler Märkte und global angespannter Lieferketten dienen ihre Daten und Erkenntnisse zunehmend als Grundlage für kurz- sowie langfristige strategische Entscheidungen.

Die Umfrageergebnisse spiegeln diese neue, gewichtigere Rolle wider. Das gilt insbesondere für das international immer wichtigere Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen.
 

  • 95 Prozent der Entscheidungsträger sehen Raum für eine Beschaffungsoptimierung.
  • 85 Prozent haben Schwierigkeiten damit, Lieferanten mit nachhaltigen Praktiken zu finden. Das hindert ihr Unternehmen daran, strategische Nachhaltigkeitsziele für die Beschaffung festzulegen oder zu erreichen.
  • 81 Prozent hatten den Auftrag, im Sinne der Nachhaltigkeit bei entsprechend zertifizierten Verkäufern zu ordern.
  • Unter jenen ohne Mandat berücksichtigen immer noch 40 Prozent die Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) der Lieferanten.
  • Trotz des Wunsches nach verantwortungsvollem Einkauf (85 Prozent) behindern Probleme bei der Suche nach geeigneten Lieferanten die Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitsziele.
     

Beschaffung 2024: Weitere Top-Themen und Herausforderungen

Die aktuelle politische und wirtschaftliche Gemengelage stellt den Einkauf auch 2024 vor komplexe Aufgaben. Es gilt vor allem, sich mit schwer kalkulierbaren Preisen und weiterhin sensiblen Lieferketten zu beschäftigen. Zu diesen und weiteren Aspekten hier ein Überblick.

Wirtschaftlichkeit

Die große Welle der Inflation schwächt sich nach 2023 tendenziell zwar ab, schwappt aber auch ins Jahr 2024 über und bleibt damit ein großer Unsicherheitsfaktor. Sie ist – neben der Preisentwicklung auf den Energiemärkten – verantwortlich dafür, dass viele Unternehmen zuletzt massiv an Investitionen und Innovationen gespart haben. Gleichzeitig gingen die Auftragseingänge zurück, ebenso die Wachstumsaussichten.

Dem muss der Einkauf mit einem angepassten Kostenmanagement im neuen Jahr begegnen. Es gilt, sowohl kurzfristige als auch langfristige Marktentwicklungen zu antizipieren, um möglichst wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu braucht er technologische Ressourcen (Digitalisierung, Big Data etc.), die ihn bei der Optimierung von Vertrieb, Planung und Produktion unterstützen.

Zusammenarbeit

Ein wesentlicher Faktor für effiziente und effektive Lieferketten ist die Kooperation mit allen eingebundenen Stakeholdern. Hier gilt es, Kommunikation und Datenaustausch über digitale Tools zu intensivieren. Das ertüchtig zu transparenten Prozessen und proaktivem Handeln. Eine enge Zusammenarbeit des Einkaufs mit externen Lieferanten und internen Kunden mindert wirtschaftliche Risiken für alle Beteiligten.

Künstliche Intelligenz (KI)

In vielen Bereichen wird Künstliche Intelligenz eine herausragende Rolle erlangen. Das betrifft beispielsweise Prognosen unterschiedlicher Art, Warengruppenmanagement oder die Lieferantenauswahl, aber auch den rechtssicheren Umgang mit Compliance-Regeln sowie mit internationalen Handelsvorschriften und lokalen Gesetzen. Zu diesem Zweck gibt es bereits modulare, digitale Werkzeuge, die nicht zuletzt den damit verbundenen bürokratischen Aufwand verringern und Lieferketten juristisch resilienter machen.

Nearshoring

Weitverzweigte internationale Lieferketten haben sich in jüngster Zeit als sehr anfällig erwiesen. Das veranlasst viele Unternehmen, geografisch näherliegende Beschaffungsquellen zu erschließen. Die Vorteile von sogenanntem Nearshoring im Idealfall: höhere Zuverlässigkeit, bessere Verfügbarkeit, niedrigere Kosten und mehr Nachhaltigkeit. Wer diese Ziele verfolgt, sollte zunächst die dafür infrage kommenden Warengruppen identifizieren und jeweils den wirtschaftlichen Nutzen einer „local-for-local“-Strategie prüfen (Total-Cost-of-Ownership). Sinnvoll ist hier außerdem, nicht nur auf bereits bekannte Lieferanten zurückzugreifen, sondern auch neue Partner und Regionen in die Überlegungen einzubeziehen.